Der Zugang zu medizinischer, pflegerischer und therapeutischer Hilfe ist in Deutschland relativ unkompliziert. Aber die Behandlung hängt oft davon ab, wie man versichert ist. Das halten wir aus mehreren Gründen für falsch. Gesetzlich Versicherte bilden mit knapp 70 Millionen das Rückgrat der Versichertenstruktur. Privatversicherte hingegen, etwa 10 Millionen, genießen eine Anzahl von Privilegien: Günstige Tarife (zumindest zu Beginn), bevorzugte Behandlung und erweiterter Leistungsumfang locken noch immer neben Beamte und viele Gutverdienende, Freiberufler und Selbstständige in dieses Geschäftsfeld.
Eine private Krankenversicherung (PKV) kann es nur im Schatten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) geben. Denn der Großteil der Leistungen, der gesetzliche Rahmen und die Qualitätskontrolle der gesundheitlichen Leistungen erfolgen im Rahmen des SGB V. Daran angelehnt werden die zusätzlichen Leistungen der PKV. Die PKV versichert nur, was sich in ihren Augen rechnet: Junge, gesunde und gebildete Menschen werden als gute Risiken umworben, während beispielsweise HIV- oder Rheumakranke nicht versichert werden. Mit den ausgewählten Gesunden lassen sich bessere Geschäfte machen.
Aber mittlerweile hat auch die PKV mit Problemen zu kämpfen. Ältere oder Selbstständige mit wegbrechenden Einkünften, die die steigenden Prämien nicht mehr bezahlen können, müssen auf Teile ihres Versicherungsschutzes verzichten. Damit geraten sie in Gefahr, im Krankheitsfall selbst zur Kasse gebeten zu werden - das Versicherungsmodell ist damit unterhöhlt.
Die FrAktion Gesundheit fordert deshalb für ein zukunftsfähiges und solidarisches Gesundheitswesen:
Deutschland als eines der reichsten Länder muss ohne Wenn und Aber alle Menschen medizinisch, pflegerisch und therapeutisch versorgen. Dafür brauchen wir eine allgemein zugängliche Krankenversicherung, die keine Unterschiede macht zwischen Alten und Jungen, Kranken und Gesunden, Erwerbstätigen und Arbeitslosen oder Männern und Frauen.
Wir lehnen eine Zwei-Klassen-Medizin ab, die Privatversicherte bevorteilt: bei der Terminvergabe, bei der Behandlungszeit, bei der Darlegung von Diagnostik und Therapie. Deshalb fordern wir eine solidarische Versicherung für alle. Wir wollen, dass alle am medizinischen Fortschritt teilhaben können. Allein die Schwere der Krankheit soll über Art und Dringlichkeit der Behandlung entscheiden.
Die Kosten der Gesundheitsversorgung müssen von allen gemeinsam getragen werden. Jeder Arbeitnehmer zahlt den gleichen prozentualen Anteil seines Lohns, der Arbeitgeber gibt denselben Betrag dazu. Die paritätische Finanzierung der Beiträge muss wieder hergestellt werden.
Solidarität heißt, dass derjenige, der mehr verdient, auch mehr in die Versicherung einzahlt. Die Grundlage für die Berechnung des Beitrages muss überdacht werden: Nicht nur die Erwerbseinkommen, sondern auch andere Einkommen wie Miet- oder Zinserträge sind einzubeziehen.
Eine einheitliche Krankenversicherung muss einen umfassenden Leistungskatalog gewähren. Wer darüber hinaus einen erweiterten Versicherungsschutz in Anspruch nehmen möchte, kann, wie bereits etabliert, private Zusatzversicherungen abschließen.
Wenn Zuzahlungen eine steuernde Wirkung haben, sind sie sozial unverträglich; wenn sie sozial verträglich sind, haben sie keine steuernde Wirkung. Zuzahlungen erschweren insbesondere für finanziell schlechter gestellte Patientinnen und Patienten den Zugang zu gesundheitlichen Leistungen und müssen mittelfristig abgeschafft werden. Der Beitrag zu allen gesundheitlichen Leistungen muss deshalb ausschließlich von den Krankenkassen getragen werden.
Die Unterscheidung zwischen Privatpatienten und Kassenpatienten fördert die Ökonomisierung des Gesundheitswesens aufgrund der unterschiedlichen Vergütung bei gleicher Erkrankung. Für die exakt gleiche Behandlung wird ein höherer Erlös erzielt, so dass privat versicherte Patienten tendenziell bevorzugt werden. Zum anderen werden dadurch Anreize gesetzt, Privatpatienten zu übertherapieren und so ggf. diesen Patientinnen und Patienten sogar zu schaden.
In fast 150 Jahren hat die gesetzliche Krankenversicherung in Deutschland einen steten Zuwachs an Leistungen und eine Einbettung aller Innovationen gewährleistet. Damit dies auch zukünftig in einer älter werdenden Gesellschaft möglich sein wird, müssen wir die hier beschriebenen Wege gehen, damit alle Patienten und Patientinnen gut versorgt werden, die Infrastruktur erhalten bleiben kann und die Beschäftigten im Gesundheitswesen gut für ihre Arbeit honoriert werden.